Silvester kam am Neujahrstag zur Welt. Das war ein besonderer Tag nicht nur für sie, sondern auch für Helen, die bei ihrer Geburt von Anfang an mit dabei war. Schon in ihren ersten Augenblicken auf dieser Welt zeigte Silvester ihren starken Lebenswillen: Sie hob ihr Köpfchen und schaute sich neugierig um, als sie noch nicht einmal ganz geboren war. Im Alter von wenigen Tagen fingen wir an, mit ihr gemeinsam spazieren zu gehen. Schon nach wenigen Wochen hatte sie mehr gesehen, als die meisten Kühe jemals zu Gesicht bekommen: Hunde, Pferde, Schafe, Hühner, Katzen, sehr irritiert dreinschauende Menschen und natürlich den Wald, durch dessen Matsch sie damals so gerne stapfte, während sie ab und zu anhielt um ein bisschen Erde zu naschen. (Später sollte sie noch lernen, dass Gras eigentlich viel besser schmeckt.) Schon damals war allen klar: Dieses kleine Kalb ist unser Ein und Alles und unser höchstes Ziel soll es sein, für sein uneingeschränktes Wohlbefinden zu sorgen. Sie zu verkaufen oder in den Milchbetrieb einzugliedern, war für uns schon damals komplett ausgeschlossen. Als Silvester dann aber etwa ein Jahr alt war, verklemmte sie sich an einer ungünstigen Stelle im Stall und kam nicht mehr hinaus. Nach einer stundenlangen Rettungsaktion und unter Einsatz von Trennschleifer und der Muskelkraft von 4 erwachsenen Menschen schafften wir es endlich, sie zu befreien. Doch sie war schwer verletzt und wollte nicht mehr aufstehen. Der herbeigerufene Tierarzt nahm sofort an, wir würden sie aufgeben und zum Schlachter schicken. Seine Sorge galt der mangelnden Fleischqualität aufgrund der Quetschungen und Prellungen, die Silvester erlitten hatte. “Da kriegt ihr nicht mehr viel Geld für”, verkündete er sachkundig. Es dauerte eine Weile, bis wir ihm begreiflich machen konnten, dass wir nicht vorhatten, sie zu schlachten, sondern sie gesund zu pflegen. Mit liebevoller Fürsorge und guter medizinischer Versorgung kam Silvester Gottseidank wieder auf die Beine. Heute hat sie von diesem Unglück nur noch eine kleine kahle Stelle am rechten “Knie” zurückbehalten und springt ohne Schwierigkeiten mit ihrer Herde über die Weiden. Silvester ist inzwischen zu einer ruhigen, aber selbstbewussten Persönlichkeit herangewachsen. Sie scheint sich ihrer Kraft bewusst zu sein, auch wenn sie diese nur selten einsetzt. Außerdem ist Silvester sehr zutraulich und verschmust. Sie hebt immer als Erste den Kopf, wenn wir zur Weide kommen und liebt es, sich ihre Streicheleinheiten abzuholen.